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Melanie EbersJan 22, 2025 10:47:31 AM5 min Lesezeit

CSRD – der Weg zur Ehrlichkeit? Greenwashing, ESG-Skandale und die Rolle der neuen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung

 

„Grün“, „nachhaltig“, „umweltfreundlich“. Begriffe, die uns allen wahrscheinlich schon etwas zu den Ohren raushängen. In einer Zeit, in der Nachhaltigkeit und Umweltschutz mehr denn je im Fokus der Öffentlichkeit stehen, begegnen uns diese Begriffe immer häufiger. Unternehmen werben lautstark mit ihren vermeintlich ökologischen Initiativen, Praktiken, Produkten und Finanzprodukten, um umweltbewusste Verbraucher anzusprechen. Doch nicht alles, was grün erscheint, ist es tatsächlich auch. Willkommen in der Welt des Greenwashings.

 

Was versteht man unter dem Begriff „Greenwashing“?

Wie bei vielen Begriffen im Nachhaltigkeitskosmos ist auch der Begriff „Greenwashing“ nicht eindeutig definiert. Im Deutschen gibt es den Begriff „Grünwaschen“ nicht. Eine passendere Übersetzung wäre eher „Schönfärben“ oder auch „Grünfärberei“, wie es in einer Definition einer neuen EU-Verordnung heißt. Grundsätzlich lässt sich jedoch sagen, dass Organisationen, die Greenwashing betreiben, versuchen, sich durch ihre Kommunikation, ihr Marketing und ihre Einzelmaßnahmen ein „grünes Image“ zu verschaffen, ohne dass entsprechende Maßnahmen eine systematische Verankerung im operativen Geschäft erfahren.

Greenwashing kann auf zwei verschiedene Weisen erfolgen. Zum einen können irreführende Marketingstrategien eingesetzt werden. Dabei werden bspw. Bilder auf die Verpackungen gedruckt, die den Verbrauchern Umweltbewusstsein symbolisieren. Zum anderen kann ungenaue Berichterstattung ebenso zu Greenwashing-Vorfällen führen. Dabei stellen Unternehmen bspw. Anlegern von Finanzprodukten falsche „grüngewaschene“ Zahlen oder unvollständige Informationen zur Verfügung, sodass diese ihre Finanzierungsentscheidungen nicht auf Basis von genauen Daten treffen können. Die gewünschte ESG-Wirkung entfaltet sich nicht und die Verbraucher werden in die Irre geführt.

Unternehmen, die Greenwashing betreiben, setzen sich verschiedenen Risiken und Konsequenzen aus. Neben rechtlichen Folgen (Bußgelder und Klagen) können Reputationsschäden und Aktienkursverluste entstehen.

 

Beispiel DWS Group

Im September 2023 nahm die US-Börsenaufsicht SEC die DWS – die Asset Management Tochter der Deutschen Bank – in den Fokus. Der Vorwurf: DWS habe grüne und nachhaltigkeitsbezogenen Aspekte ihrer Finanzprodukte übertrieben positiv dargestellt. Die DWS gehört zu den größten Vermögensverwaltern Europas.

Die SEC stellte fest, dass „wesentlich irreführende Angaben zu den Kontrollen über die Einbeziehung von ESG-Faktoren in Research- und Anlageempfehlungen für ESG-integrative Produkte“ gemacht wurden. Zudem wurde festgestellt, dass es an der Umsetzung von Richtlinien mangelte, die die Transparenz der öffentlichen Aussagen zu diesen Produkten gewährleisten sollten. Dies bedeutet, dass die DWS die von ihr beworbenen ESG-Anlageprozesse nicht eingehalten hat. Da auch noch unzureichende Geldwäschekontrollen festgestellt wurden, wurde DWS schließlich mit einer Gesamtstrafe von 25 Millionen US-Dollar belegt.

Beispiel Volkswagen

Als Unternehmen mit rund 120.000 Beschäftigten in Deutschland ist Volkswagen vom deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) betroffen. Ziel dieses Gesetzes ist es, die Arbeitsbedingungen für die eigenen Mitarbeiter und die Beschäftigten in der Lieferkette zu verbessern, insbesondere in Ländern, in denen die Menschenrechte verletzt werden und Beschäftigte nicht fair bezahlt werden. Bei Hochrisikoländern (z.B. China) müssen entsprechende Kontrollen durchgeführt und gegebenenfalls sogenannte Abhilfemaßnahmen ergriffen werden.

Das Joint Venture SAIC Volkswagen beschäftigt in Ürümqi in der Provinz Xinjiang rund 200 Mitarbeiter. Die Region ist für uigurische Zwangsarbeit bekannt. Um diesen Vorwürfen entgegenzuwirken, veröffentlichte Volkswagen Ende 2023 einen Prüfbericht, der belegen sollte, dass in dem Werk in Ürümqi keine Menschenrechtsverletzungen stattfinden würden. Doch Recherchen von ZDF, Der Spiegel und Financial Times legen nahe, dass der Bericht die Realität nicht angemessen widerspiegelt. Der 71-seitige Prüfbericht weist erhebliche Mängel auf: Unqualifizierte Prüfer, Mitarbeiterbefragungen unter staatlicher Aufsicht und andere nicht eingehaltene Standards werfen ernste Fragen zur Transparenz und Integrität des gesamten Prüfprozesses auf.

Für die Überprüfung der Arbeitsverhältnisse hatte Volkswagen Markus Löning, den ehemaligen Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, beauftragt. Die Identität der chinesischen Anwaltskanzlei, die die Vor-Ort-Prüfung durchführte, blieb jedoch im Dunkeln. Zudem wurde der endgültige Audit-Report geheim gehalten, was die Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Verfahrens noch verstärkt. Volkswagen weist die Vorwürfe des Täuschungsversuchs vehement zurück.

Ist die CSRD der Weg zu mehr Ehrlichkeit?

Zunächst ist es wichtig zu erkennen, dass die beiden Fälle grundsätzlich von unterschiedlicher Natur sind.

Im DWS-Fall handelt es sich um einen „Etikettenschwindel“ bei einem Finanzprodukt. Innerhalb der Europäischen Union wäre eine solche Täuschung aufgrund der geltenden EU-Taxonomie und der SFDR (Sustainable Finance Disclosure Regulation) so nicht mehr möglich gewesen. Die EU-Taxonomie wurde im Rahmen des EU-Aktionsplans für nachhaltige Finanzen eingeführt. Sie ist ein Klassifizierungssystem, das vorgibt, welche Wirtschaftsaktivitäten laut Europäischer Kommission als „ökologisch nachhaltig“ gelten. Zusammen mit der SFDR stellt sie in der EU also sicher, dass nur nachhaltige Fonds auch als solche vermarktet werden dürfen.
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist hingegen keine Vorschrift für Finanzproduktvermarktung, sondern soll zur Verbesserung der Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen innerhalb der EU führen. Sie verpflichtet Unternehmen umfassender und standardisiert nach den ESRS (European Sustainability Reporting Standards) über nachhaltigkeitsbezogene Aktivitäten, sowie damit verbundene Chancen und Risiken zu berichten. Die CSRD hätte den Skandal der DWS also nicht verhindert, sondern lediglich dazu beigetragen, dass seitens der deutschen Mutter ein höheres Augenmerk auf Rechtsrisiken der amerikanischen Tochter im Zusammenhang mit ESG gelegt worden wäre.

Bei Volkswagen stellt sich dagegen die Frage, wer überhaupt für etwaige Menschenrechtsverletzung in Ürümqi verantwortlich gemacht werden kann. Im LkSG-Bericht macht VW keine Angaben zu dem Vorgang. Die Begründung: VW sei in dem Joint Venture SAIC Volkswagen weder beherrschend, noch liefere SAIC Volkswagen Produkte an andere Konzernmitglieder. Darum seien die dort Beschäftigten weder Beschäftigte von VW, noch Teil der Lieferkette und unterlägen damit nicht dem LkSG.

Kann die CSRD hier Abhilfe schaffen und dafür sorgen, dass zukünftig derartige Unstimmigkeiten nicht mehr auftreten können? Volkswagen unterliegt erstmals mit dem Jahresabschluss für 2024 der Berichtspflicht der CSRD-Richtlinie, die bekanntlich Offenlegungspflichten zu Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) definiert. Für den Bereich S sehen die Offenlegungsstandards ESRS vier Kategorien vor: eigene Belegschaft (ESRS S1), Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette (ESRS S2), betroffene Gemeinschaften (ESRS S3) und Verbraucher & Endnutzer (ESRS S4). Das Leitprinzip der ESRS ist die doppelte Wesentlichkeit. Was wesentlich ist, muss standardisiert offengelegt werden, was nicht wesentlich ist, soll nicht im Nachhaltigkeitsbericht beschrieben werden. Da SAIC-Volkswagen Automotive Company Ltd. im Konzernbericht als wesentliche Beteiligung ausgewiesen wird, scheint es durchaus wahrscheinlich, dass der Nachhaltigkeitsbericht nach ESRS die Causa Ürümqi adressieren muss. Ob dies Klarheit zur menschenrechtlichen Situation bringt oder gar einen strategischen Rückzug aus der Region nach sich zieht, wird sich zeigen. Wir warten gespannt auf den ersten Bericht.

Fazit: Die CSRD kann Greenwashing- und ESG-Skandale nicht gänzlich verhindern. Allerdings werden durch die CSRD die Offenlegungspflichten deutlich erhöht und die Nachhaltigkeitsperformance von Unternehmen vergleichbarer. Je mehr Firmen berichten müssen, desto größer könnte der Druck der Öffentlichkeit auf Unternehmen im Allgemeinen werden, nachhaltig zu handeln und korrekt darüber zu berichten. Auf lange Sicht könnte Unternehmen dadurch die Möglichkeit genommen werden, sich nachhaltiger darzustellen als sie sind.

 

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