CSRD, CSDDD, LkSG - Welcome to the jungle
Das Thema Nachhaltigkeit wird von Unternehmen vor allem als Bürokratiealbtraum wahrgenommen. Los geht es schon mit den Kriterien für unterschiedliche Reportingpflichten: Mal ist es die Mitarbeiterzahl unabhängig von der Rechtsform (LkSG), dann die Mitarbeiterzahl im Verbindung mit der Kapitalhaftung (CSDDD), und schließlich eine 2-aus-3 Formel der Kriterien Mitarbeiterzahl, Umsatz und Bilanzsumme, bzw. die Kapitalmarktrelevanz (CSRD). Weiter geht es mit den Einführungszeitpunkten, die selbstverständlich ebenfalls nicht harmonisiert sind. Wir wollen an dieser Stelle die Sinnhaftigkeit nicht diskutieren, wohl aber feststellen, dass viele Unternehmen so beschäftigt damit sind, die Anforderungen des Regulators zu verstehen, dass ihnen wenig Zeit und Energie bleibt, um einen Nutzen darin zu erkennen - den es aber gibt.
Warum wird Nachhaltigkeit immer wichtiger?
- Weil es der Gesetzgeber so will. Die EU hat sich zusammen mit den Mitgliedsstaaten das Ziel gesetzt, 2050 klimaneutral zu sein. Das Net-Zero-Ziel kann nur erreicht werden, wenn vermeidbare Emissionen dras´tisch reduziert und unvermeidbare Emissionen gebunden werden. Mit drei Instrumenten soll Netto Null erreicht werden: Förderung von grüner Technologie und Infrastruktur, Transparenz unternehmerischen Handelns und Lenkungsinstrumente wie die CO2-Zertifikate. Von allen drei Instrumenten können Unternehmen profitieren. Doch während das bei EU-Fördergeldern noch sehr einleuchtend ist, erschließt sich bis jetzt nur wenigen der Nutzen von zusätzlichen Berichtspflichten.
- Weil die Welt sich ändert. Der europäische Kontinent erwärmt sich stärker als jeder andere Teil der Erde. Wenn Wasser knapp wird, müssen Atomkraftwerke vom Netz genommen werden, Flüsse entfallen als Transportwege, Ernten fallen aus, der Tourismus leidet. Eine wärmere Welt ist gleichzeitig eine feuchtere: Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen und in der Folge häufen sich Starkregenereignisse. Nach der Hitze kommt die Flut. Flutkatastrophen vernichten binnen Stunden Immobilienkapital, Maschinenparks, öffentliche Infrastruktur und Privatvermögen. Offensichtlich sollte ein Unternehmen daher Klarheit über Klimarisiken haben. Dazu zählen z. B.:
--> Welche Transportwege laufen durch gefährdete Gebiete?
--> Welche Produktionsstätten oder Zulieferer können betroffen sein?
--> Welche Versicherungen sind sinnvoll und am Markt (noch) verfügbar?
Mit Hilfe von Szenarien und Folgeabschätzungen können Risiken priorisiert und gesteuert werden. Durchblick ist der erste Weg zur Besserung.
- Weil die Menschen sich ändern. In Bezug auf Nachhaltigkeit sehen sich Unternehmen heute mehr Fragen - und Klagen - ausgesetzt als noch vor 10 Jahren. Konsumenten fragen, ob die Verpackung aus recyceltem Plastik besteht. Investoren fragen, wie viele Frauen es in der zweiten Führungsebene gibt. NGOs fragen, ob der Lieferant in Bangladesch Kinder beschäftigt. Ein peruanischer Kleinbauer verklagt RWE vor einem deutschen Gericht wegen der Klimafolgen der Kohleverstromung. Das Anspruchsdenken hat sich radikal verändert: Unternehmen sollen nicht nur Gewinne machen, sondern auch das Wohl der Welt und die kommende Generation in ihre Kalkulation miteinbeziehen. The business of business is business? Dieser Satz ist so veraltet wie der Intel 4004.
- Weil alles mit allem zusammenhängt. Das politische Ziel der Klimaneutralität, zu dem sich alle relevanten Industrieländer bekannt haben, übersetzt sich heute in konkretes staatliches Handeln und bildet gleichzeitig den Erwartungshorizont für zukünftige Rahmenbedingungen. Erwartet wird eine weiterhin steigende Nachfrage nach erneuerbaren Energien, eine sinkende Nachfrage nach Einspritzpumpen, ein höherer CO2-Preis, eine wachsende Bedeutung von CO2-Speicherung. Die Erderwärmung als unpolitisches Faktum ändert Geschäftsmodelle und Lieferketten, erzeugt Nachfrage nach Dachbegrünung, Klimaanlagen und dürreresistenten Weizensorten. Es gibt also viele Gründe für Nachhaltigkeit! Regulatorisch getriebene Markterwartung, physikalische Fakten und definierte Transparenzanforderungen (Stichwort CSRD) machen Nachhaltigkeit zum Schlüssel einer erfolgreichen Unternehmensstrategie.
Wie kann man eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln?
Der Prozess zur Erstellung einer Nachhaltigkeitsstrategie besteht aus 5 Schritten: Analyse, Entwicklung des Zielbilds, Ableitung notwendiger Maßnahmen, Erstellung des Umsetzungsplans und Implementierung. Der Schlüssel liegt in der Analysephase: Wer zum Beispiel falsche Annahmen darüber macht, wie der CO2-Preis seine Einkaufspreise verändern wird oder welche Lieferanten zum Rechtsrisiko werden könnten, wird keine tragfähige Strategie zur Lieferantenauswahl erarbeiten können. Die Doppelte Wesentlichkeitsanalyse nach CSRD in den bisher definierten Kategorien der ESRS ist sehr umfassend. CSRD-pflichtige Unternehmen können darum problemlos auf die Ergebnisse der Wesentlichkeitsanalyse aufbauen. Sollte das Unternehmen nicht von der CSRD betroffen sein, ist eine an die CSRD angelehnte "kleine" Wesentlichkeitsanalyse hilfreich. Dabei werden pro Kategorie zwei Fragen gestellt. Wie betreffen Entwicklungen mein Unternehmen? Wie wirkt mein Unternehmen auf die Entwicklungen. Beispiel Klimawandel: Wie viel Treibhausgase stößt das Unternehmen aus? Wie wirken sich globale Erwärmung und CO2-Preis auf das Unternehmen aus?
Folgende Punkte sollten dabei mindestens in Betracht gezogen werden:
- Klimawandel: CO2-Fußabruck, Energiemix, Chancen und Risiken aus Klimaschutzpolitik und globaler Erwärmung
- Abfall und Ressourcenverbrauch: Abfall in kg (recyclingfähig und nicht recyclingfähig), Ressourcenverbrauch (Rohstoffe, Trinkwasser etc.) in passenden Maßeinheiten
- Biodiversität und Ökosysteme: Einfluss auf/ Abhängigkeit von Fischbeständen, Wäldern, Mooren, Fruchtbarkeit von Böden etc.
- Arbeitsbedingungen der eigenen Belegschaft und direkter Dienstleister und Lieferanten
- Menschenrechtliche Situation bei mittelbaren Lieferanten in Risikoländern
- Betroffene Gemeinden oder Gemeinschaften (etwa bei Immobilienprojekten, Pipelines etc.)
- Kunden-/ Konsumentenverhalten
- Code of Conduct
Welche Vorteile hat Nachhaltigkeit für Unternehmen?
Stabile Erträge:
Werden Marktveränderungen (Nachfrage, Einkaufspreise, regulatorische Beschränkungen) rechtzeitig erkannt, können entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden. Ein Beispiel: Die Auswirkungen des Klimawandels und die politischen Maßnahmen zu seiner Begrenzung spielen für Unternehmen eine entscheidende Rolle. Von physischen Klimarisiken abgesehen, ist die Antizipation von Regulierung eine zentrale Herausforderung für die Unternehmensstrategie. Welche Gesetze werden in zwei Jahren gelten, welche in fünf? Wie wird sich der CO2-Preis verändern? Unternehmen, die verschiedene Szenarien entwerfen und ihre Profitabilität darin prüfen, können rechtzeitig Anpassungsmaßnahmen vornehmen und ihre Erträge dauerhaft stabilisieren oder verbessern.
Stabile Finanzierung:
Allein schon auf Grund der eigenen Reportingpflichten haben Banken ein stärker werdendes Interesse an Nachhaltigkeitsinformationen ihrer Kreditnehmer. Jenseits der bloßen Transparenzanforderungen treibt Kreditinstitute aber eine intrinsische Motivation: Sie wollen die Kreditausfallwahrscheinlichkeit möglichst präzise berechnen. Nicht nur großen Corporates trudeln gerade explizite Fragen zum Thema Nachhaltigkeit ins Haus, auch mittlere Unternehmen müssen z. B. Angaben zu ihren Produktionsstätten machen, um Sturm- oder Überflutungsrisiken zu bestimmen.
Stabile Beziehungen:
Im Bereich des produzierenden Gewerbes sind Lieferanten ein entscheidender Erfolgsfaktor: Die Produktion bedarf einer verlässlichen und pünktlichen Anlieferung von Rohstoffen und Vorprodukten. Je früher das Thema Nachhaltigkeit mit den Lieferanten besprochen wird, desto eher können gemeinsam Lösungen, bzw. Verbesserungsmaßnahmen vorbereitet werden. Darüber hinaus kann geteiltes Wissen in Branchenverbänden genutzt werden, um neue Ecosysteme aufzubauen oder mittel- und langfristig Lieferketten zu diversifizieren.
Fazit: Nachhaltigkeit muss sein. The business of business is sustainable business.