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Julia GroteJan 14, 2022 3:01:00 PM2 min Lesezeit

Taxonomie: Gas und Atomkraft

Plötzlich grün: Was Sie jetzt wissen müssen

Pünktlich zu Silvester 2021 lieferte die EU-Kommission einen Vorschlag, der uns mit vielen Fragen in das neue Jahr starten ließ.  

WAS IST PASSIERT?

Die Taxonomie-Verordnung von 2020 verfolgt das Ziel, durch eine einheitliche Definition von nachhaltigen Geschäftsmodellen und Technologien, Kapitalströme in nachhaltige Anlagen zu lenken und so die „schmutzigen“ Branchen ohne staatliche Verbote aus dem Markt zu drängen. Die Verordnung selbst bildet dabei den Rahmen und wird durch sogenannte Delegierte Rechtsakte ergänzt. In diesen werden die spezifischen formellen und technologischen Anforderungen definiert. Aus dem allgemeinen Prinzip wird eine konkrete Handlungsanweisung. Der dritte delegierte Rechtsakt regelt nun, unter welchen Bedingungen Erdgas und Atomkraft als nachhaltige Übergangstechnologien gewertet werden können. 

WAS BEDEUTET DAS KONKRET? 

Atomkraftwerke gelten als nachhaltig, wenn ihr Bau bis 2045 genehmigt wurde, ein Plan für die Entsorgung des Atomabfalls vorliegt und ab 2025 die beste Technologie Anwendung findet. Auch Maßnahmen zur Laufzeitverlängerung bis 2040 können darunter subsummiert werden. Für Frankreich als Atomstromland bedeutet dies, dass sie keine wesentlichen Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Reparaturen oder dem Bau von Kraftwerken fürchten müssen. Auch die betreffenden Banken, Versicherungen oder Fonds, die den staatlichen Stromerzeuger EDF SA im Portfolio haben, haben demzufolge kein Problem. Analog gilt für Deutschland, das auf Erdgas als Brückentechnologie setzt, dass neue Gaskraftwerke so lange grün sind, wie sie bis zum Jahr 2030 bewilligt wurden, maximal 270g CO2e/kWh emittieren und auch mit z.B. Wasserstoff betrieben werden können.  

WIE GEHT ES JETZT WEITER? 

Umweltschützer sind nicht begeistert von den Plänen der EU. Tatsächlich sollen die nationalen Ministerien bis zum 18. Januar 2022 zum Entwurf Stellung nehmen. Im Anschluss haben das Europäische Parlament (EP) und der Europäische Rat bis zu sechs Monate Zeit, über den Vorschlag zu entscheiden. Er gilt als angenommen, wenn keines der beiden Organe in der Frist Einwände erhebt oder wenn beide Organe mitteilen, dass sie keine Einwände erheben werden. Im Rat ist für eine Ablehnung eine Mehrheit von 20 Staaten, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, notwendig – Experten sehen dafür wenig Chancen. Im EP müsste mit 353 Stimmen eine absolute Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission stimmen, auch das scheint unwahrscheinlich. 

Ein Joker bleibt die Klage vor dem EuGH, die Österreich in Bezug auf Kernenergie bereits angekündigt hat. Zwar weiß man nicht, ob der EuGH einem österreichischen Rechtsgutachten über die Nachhaltigkeit von Atomkraft mehr Vertrauen schenken wird als dem der EU – zumindest aber könnte die Aussicht auf einen jahrelangen Rechtstreit Investoren vergraulen.  

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